LES
MISÉRABLES
(mit Ian Jon Bourg als Valjean und Nils-Holger Bock als
Javert) Festspielhaus
Füssen, 15.August 2007 – 14.30 Uhr
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1. Akt: Szene 1: Die Gefangenen
werden auf die Bühne geführt – „Schaut her“. Sie sahen zwar
bemitleidenswert aus, aber so richtig abgerissen war die Kleidung dann doch nicht. So ein bisschen
schmutziger hätten die Hosen und gestreiften Sträflingsjacken doch aussehen
dürfen. Auch die Schuhe - ??? warum Schuhe ??? – waren sauber und modern und
störten eher das Gesamtbild. Alle trugen auch Fußfesseln. Schwer geschuftet
haben die Gefangenen an „dem Baum“, der die ganze Vorstellung über zum
Mittelpunkt des Geschehens werden würde. Dabei brach einer der schweren Äste
ab und fiel auf einen der Gefangenen. Ein anderer Gefangener war stark genug,
ihn mit seinen Händen von dem Verletzten zu heben – es war der Gefangenen
24601, der bärenstarke Gefangene Jean Valjean (Ian Jon Bourg). Dass er
wegen Diebstahls eines Laibes Brot seit 19 Jahren hier Zwangsarbeit
verrichtete, hörten wir dann aus dem Gespräch mit dem Wächter über die
Gefangenen, Polizei-Inspektor Javert (Nils-Holger Bock). Heute wurde
er auf Bewährung entlassen. Ian hatte seine
eigenen Haare offen und dazu einen dicken, grauen Vollbart. Nachdem Valjean
entlassen war, findet er kurz Arbeit bei einem Bauern, der ihm dann aber nur
den halben Lohn zahlt. Er wird weggejagt. Auch in einem Gasthaus bekommt er
kein Zimmer, obwohl er bezahlen könnte. Der Bischof von
Digne (Dietmar Ziegler) lädt ihn in sein Haus und gibt ihm zu Essen –
Valjean nutzt die Gelegenheit und stiehlt Silber. Natürlich wird der
Diebstahl sofort bemerkt, aber anstatt ihn anzuzeigen, schützt ihn der
Bischof und schenkt ihm noch mehr Silber: ....Gott begleitet deinem Stern Valjean erkennt
seine Chance, sich damit ein neues Leben aufzubauen. Die
einzelnen Szenen spielen alle vor der gleichen Kulisse – es werden immer nur
einzelne Requisiten von den Darstellern mit auf die Bühne gebracht – Körbe
für die Kartoffeln, ein Tisch für die Kneipe. Außer zwei größeren
Kulissenteilen, die wohl eine Brücke und ein Haus darstellen sollen, gibt es
noch eine kleine Brücke und natürlich ............... den Baum J.
Ein ca. 4 Meter hoher, blattloser Baum unbestimmter Art. Schon gleich zu
Beginn fällt auf, dass Ian jede einzelne Silbe singt (wir kennen es von Bad
Hersfeld als gesprochen!!). Dadurch bekommt das wirklich schwere, mit vielen
Tempo- und Stimmungswechseln gespickte “Mein Leben fängt nun an“ (wie heißt
das Lied eigentlich?) eine ganz andere Dramatik. Man fühlt mit dem Sträfling,
der seine Identität wechseln muss, um überhaupt noch eine Chance im Leben zu
haben. Szene 2: „Am Ende vom Tag“ –
die Arbeiter der Fabrik klagen über ihr sinnloses Leben, das dazu noch
schlecht bezahlt wird – wenn es überhaupt Geld vom Vorarbeiter gibt. Eine der
Arbeiterinnen ist Fantine (Stephanie Wettich), die einen Brief in der
Hand hält, in dem sie aufgefordert wird, mehr Geld für die Unterbringung
ihrer Tochter bei den Wirtsleuten Thénardier zu bezahlen. Als der Vorarbeiter
das mitbekommt, bezeichnet er sie als Hure und wirft sie raus. Der Besitzer der
Fabrik greift ein und fordert den Vorarbeiter auf, die Sache nicht zu groß zu
machen. Wir erkennen natürlich den Besitzer, Monsieur Madeleine – es ist
Valjean, der inzwischen Fabrikbesitzer und Bürgermeister in Montreuil
geworden ist. Ian als Edelmann
passt natürlich viel besser J. Die Haare sind nun wieder zum Zopf gebunden, der Bart ist ab
und der Gehrock steht ihm auch besser als das Sträflingshemd und der Mantel
aus Sackleinen. Fantine (Stephanie
Wettich) singt ihr „Ich hab geträumt vor langer Zeit“, in dem sie von ihren
Hoffnungen erzählt, die leider alle nicht erfüllt wurden. Szene 3: „Leichte Mädels“
gehen ihrem Gewerbe auf der Straße nach. Fantine verkauft ihr Haar, um an
Geld zu kommen und danach bleibt ihr nur noch der Weg, sich selbst zu
verkaufen. Dass die Mädels
einem ganz bestimmten Gewerbe nachgehen, konnte man sofort erkennen – die
Gesten und Bewegungen waren eindeutig – aber nicht vulgär (haben wir auch
schon gesehen, jawoll!). Unter die Mädels hatte sich auch ein als Frau
gekleideter junger Mann gemischt J. Als der erste
Freier zu Fantine kommt, kann sie sich doch nicht überwinden. Als sie seine
Aufdringlichkeit abwehrt, verletzt sie ihn – und prompt ruft er nach dem
Gesetzt. Und das Gesetz ist – natürlich „Javert“. Während
Javert, Fantine und der Freier auf der Bühne agieren, liegen alle anderen
regungslos auf dem Boden – die Kulisse noch wie in der ersten Szene und
natürlich mit Baum! Wieder einmal kommt
der Bürgermeister Fantine zur Hilfe. Sie erzählt ihm von ihrem Schicksal und
er verspricht ihr, dass er nach ihrem Kind sehen will. Javert hört sich das
alles mit an. Da passiert ein
Unglück! Ein Mann wird unter einem Wagen eingeklemmt. Dass
Ian der bärenstarke Valjean ist, kann man ihm in dieser Szene wirklich
abnehmen. Javert erkennt
seinen ehemaligen Sträfling – aber da er einen Mann gefangen genommen hat,
den er für Valjean hält, unternimmt er nichts. „Diesen Dieb kenn ich schon
ewig, trägt ein Brandmal auf der Haut...“ Valjean kommen Zweifel, ob es
richtig ist, unter falschen Namen weiterzuleben und einen anderen für seine
Schuld büßen zu lassen – „Wer bin ich?“ Also
dieses Lied hätte noch eine Weile so weitergehen können – es war so schön der
Geschichte und den Zweifeln des Valjean zuzuhören. Ian hat auch absolut
textverständlich gesungen und deshalb ergab alles auch einen Sinn. Was mir in der
Szene gefehlt hat war, dass man zumindest jetzt einmal das erwähnte Brandmal
hätte sehen können – das wurde leider nie gezeigt. Szene 4: Im Hospital liegt
die schwerkranke Fantine. Eigentlich lustig
die Betten, die einen Winkel von sicherlich 45° hatten. Dass die Kranken da
nicht runtergerutscht sind J „Fantins Tod“ – das
ergreifende Duett von Fantine und Valjean. Das war
wirklich sehr ergreifend. Fantine bittet für ihre kleine Cosette und Valjean
verspricht ihr am Totenbett, dass ihr Mädchen es bei ihm gut haben wird. Valjean: Fantine,
ich stütze dich Fantine: Grüßt
mein Kind, es kommt in gute Hände Valjean: Fantine,
ich schütze dich Fantine: Großer
Gott, bleibt bei mir bis ans Ende Javert kommt dazu und will Valjean in Ketten legen. Valjean
bittet um Aufschub, weil er Cosette erst suchen will, aber Javert lässt sich
nicht erweichen. Für mich war das eines der besten und eindrucksvollsten Lieder
des Stücks. Die gewaltigen Stimmen von Ian und Nils, die ja eigentlich mit
ganz verschiedenen Textaussagen gegeneinander ansingen und trotzdem ein Lied
singen – das war Gänsehaut. Und auch die verschiedenen Schwüre kamen endlich einmal zum
Ausdruck – Valjean, der Fantine bei Gott schwört, dass er für Cosette sorgen
wird, mit weicher fast mitleidsvoller Stimme und ihm gegenüber der harte,
unnachgiebige Javert, der vor Gott und dem Gesetzt schwört, dass er den
Sträfling einsperren wird. Valjean: Bei allem, was mir heilig ist Javert: Ich find dich, du entkommst mir nicht Valjean: Dein Mädchen hat es bei mir gut Javert: Wo immer du dich auch versteckst Valjean: Und ich geleite sie ins Licht Valjean und Javert: Ich schwör es dir, bei meinem Blut Nils-Holger Bock als Javert ist eine sehr eindrucksvolle
Gestalt – sehr groß, mit langer grauer Perücke, die zu einem Zopf gebundenen
Haare sieht man unter dem Zweispitz. Dazu trägt er einen langen grauen
Mantel, Stiefel und seinen Stock, den er meist unter den Arm klemmt, in der
rechten Hand. Die linke Hand hält er auf dem Rücken. Durch seine Größe und
die Aufmachung wirkt Nils wirklich beeindruckend. Es kommt zum Handgemenge, Valjean entreißt Javert die Pistole
und flieht. Diese Version finde ich um Längen überzeugender als die in
Hersfeld mit dem morschen Stuhl und dem überaus aggressiven Valjean!!! Szene 5: Ein kleines Mädchen (Carolin Kikas) putzt den Boden und
singt dabei ein Lied „In meinem Schloss“. Die in den Vorstellungen wechselnden Kinderdarsteller hatten
teilweise sehr starken Akzent – „...schick mich nich gonz ollein hinaus....
Das hätte aber nicht so sehr gestört, wären die Kinder nicht schon so auf
Selbstdarstellung „dressiert“ gewesen. Sie haben keine Rolle gespielt,
sondern sich selbst in Szene gesetzt. Deshalb fand ich das leider nicht so
gut gelungen! Dröhnend stürzt die mächtige Madame Thénardier (Sissy
Staudinger) in den Raum, schimpft das Mädchen zusammen und schickt sie in
den Wald, um Wasser zu holen. Ihr eigenes Kind putzt sie derweil wie ein
Püppchen heraus. Bei „Ich bin Herr im Haus“ lernen wir dann auch den Wirt
Thénardier (Werner Bauer) der Spelunke kennen. Er schildert seine
Methode, die Reichen auszunehmen – und endlich konnten wir auch den gesamten
Text verstehen: Welches Zimmer darf
ich richten? Voll ist nur die Hochzeits-Suite Zwei für Fenster
zu, Drei für Fenster auf... Ein
paar der Hauptdarsteller (u.a. Marius, Enjolras) traten in dieser und anderen
Szene schon in Ensemblerollen auf. Madame Thénardier
stellt dann aber schnell richtig, wer hier der Herr im Haus ist. Szene 6: Valjean trifft im
Wald auf ein weinendes Mädchen, die kleine Cosette. Er nimmt das Mädchen auf
den Arm und trägt sie zurück ins Wirtshaus. Schön
diese Szene wieder einmal zu sehen – leider wird zu sehr oft gestrichen. Im nun folgenden
Handel will Valjean den gierigen Thénardiers das Kind abkaufen. Als die
jedoch immer gieriger werden, beendet er die Sache, indem er die Pistole
zückt. Schön wie hier
Werner Bauer und Sissy Staudinger als Ehepaar Thénardier die Taktik wechseln
und nun plötzlich das Kind zwischen sich hin- und herzerren, auch wenn ihnen
nicht sofort der Name einfällt. J Valjean
nimmt die kleine Cosette mit – sie treten hinter den Baum J
- und Valjean kommt mit der erwachsenen Cosette (Meribel Müürsepp) wieder hinter dem Baum hervor. 10 Jahre sind vergangen. Szene 7: Auf den Straßen von
Paris leben die Leute in Armut – „Schaut her“. Auch die Thénardiers sind hier
gelandet und leben von Betteln, Raubzügen und Einbrüchen. Die Studenten
entschließen sich wegen der Unterdrückung des Volkes, sich der Revolution
anzuschließen. Gavroche, der Straßenjunge, hilft den Studenten. Eponine (Evelyn
Jons), die Tochter der Thénardiers, ist mit einem der Studenten, Marius (Alen
Hodzovic), befreundet – allerdings merkt der nicht, dass sie in ihn
verliebt ist. Valjean mit Cosette
kommen auch über diese Straße und sofort erkennt Thénardier Valjean wieder. Valjean ist
inzwischen alt geworden. Ian trägt nun eine graue Perücke mit etwas längeren,
aber nicht mehr zum Zopf gebundenen Haaren und lange graue Koteletten an den
Backen. Und wie immer wenn
es Unruhe gibt, greift die Polizei unter Führung von Inspektor Javert auf:
„Schon wieder Pöpelgestank.....“ Marius
und Cosette begegnen sich im allgemeinen Gedränge zum ersten Mal – und die
Welt bleibt für einen Moment stehen. Das ist sehr schön in Szene gesetzt –
alle verharren, nur Marius und Cosette stehen im Licht. Javert hat Valjean
erkannt – und er singt nun „Der Stern“ Noch
nie habe ich dieses Lied so ausdrucksstark gehört, wie von Nils-Holger Bock.
Er gibt Javert ein menschliches Gesicht – niemand ist nur böse. Auch hinter
dieser harten Fassade schlägt ein gläubiges Herz. Mein ist der Weg uns'res Herrn Gavroche hat den
Inspektor erkannt. Eponine erinnert
sich nun auch an Cosette, die sie auf der Straße getroffen hat. Sie hatten ja
als Kinder zusammen gespielt. Marius ist total verliebt und bittet Eponine,
ihn zu Cosette zu bringen. Szene 8: Die Studenten
Enjolras (Marc Lamberty), Combeferre, Feuilly, Courfeyrac, Joly,
Grantaire, Lesgles, Jean Prouvaire und Marius treffen sich im ABC-Cafe.
Marius ist allerdings nicht ganz bei der Sache, denn er ist verliebt – und
natürlich machen sich die anderen darüber lustig. Trotzdem entschließen sich
alle, für die Freiheit zu kämpfen: Rot, das Blut ist
heiß und jung Gavroche kommt mit
der Meldung, dass General Lamarque gestorben ist. Nun müssen andere den Kampf
in seinem Namen weiterführen – alle sind bereit und es erklingt „Das Lied des
Volkes“ Hört ihr, wie das
Volk erklingt? Von uns'rer Wut erzählt der Wind Szene 9: Cosette sitzt auf der Bank unter dem Baum J. Sie ist „Schon so lang“ einsam und allein. Valjean will sie
trösten, aber ihm fallen nicht die richtigen Worte ein. Er vertröstet sie,
dass Gott im rechten Moment ihr ein Geheimnis offenbaren wird. Marius steht auf der anderen Seite der Mauer und möchte gerne
zu Cosette. Eponine soll ihm den Weg zeigen – sie führen das Lied „Schon so
lang“ in ihrem Sinn weiter, d.h. dass jeder die Worte anders deutet. Marius ist über den Baum J in den Garten von Cosette geklettert, abgestürzt und liegt nun
ziemlich lächerlich auf der Nase. Aber er singt „Mein Herz ruft nach dir“ und kann trotzdem das
Herz von Cosette erreichen. Eponine hört alles hinter der Mauer mit an. Da taucht Thénardier mit seinen Kumpanen auf. Sie wollen bei
Valjean einbrechen. Eponine verhindert das, indem sie die Leute im Haus durch
einen lauten Schrei warnt. Marius und Cosette haben den Schrei gehört und Marius kann noch
rechtzeitig aus dem Garten gelangen, ehe er von Valjean gesehen wird. Aber
auch Valjean hat den Schrei gehört und glaubt, dass Cosette gerufen hat. Sie
erzählt von drei Männern, die ins Haus einbrechen wollten. Valjean
entschließt sich, Paris zu verlassen, weil es hier nicht mehr sicher für
Cosette und ihn ist. Er beginnt mit der Melodie von „Morgen schon“: Morgen schon Marius und Cosette
führen die Melodie weiter: Schon morgen bist
du furchbar weit Dann kommen alle
zusammen und jeder singt „Morgen schon“ aus einem etwas anderen Grund.
Valjean will abreisen, Marius und Cosette wollen sich wiedersehen, Eponine
hofft, dass Marius sich noch anders entscheidet, die Thénardiers werden ihre
Verbrechen begehen, Javert wird das Recht verteidigen und die Studenten
werden mit dem Barrikadenkampf beginnen. Gemeinsam singen
sie: Denn morgen wird
sich zeigen, ob uns Gott für unser Leid belohnt - Pause - Na? Schon müde vom Lesen??? Das war
aber erst der erste Akt, der ziemlich genau 95 Minuten gedauert hat. Ich
konnte ihn also nicht viel kürzer beschreiben! Einfacher wäre es natürlich,
wenn man sich das Stück selbst ansehen würde *fg*
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Szene 10: Die Barrikade wird aufgebaut. Was man in diesem Fall so Barrikade nennt – eine sehr kleine
Barrikade aus Brettern und Wagenrädern. Später kommen dazu noch ein paar
Fässer, ein paar Stühle – und der Baum J. Er wird „fachmännisch“ gefällt/umgelegt und bietet nun
Platz für alle Studenten. Eponine hat sich als Junge verkleidet und unter die Studenten
gemischt. Marius bemerkt aber, dass es Eponine ist, und bittet sie, ein
Schreiben zu Cosette zu bringen. Sie übergibt den Brief an Valjean, der ihr
zusichert, den Brief Cosette zu geben. Er warnt Eponine vor der kommenden
Nacht und will ihr Geld geben, das sie aber ablehnt. Als er dann den Brief öffnet und liest, erkennt er, dass Marius
seine Tochter ehrlich liebt. Eponine geht durch die Nacht und singt ihr trauriges Lied „Nur
für mich“. In diesem Moment ist sie Marius ganz nah. Evelyn Jons als Eponine singt das Lied mit viel Ausdruck – aber
trotzdem wirkt es eher hart. Man erkennt nicht richtig die wirklichen
Gefühle. Vielleicht liegt es auch an dem immer gleichen Gesichtsausdruck? „Siegen oder untergeh`n“ – die Studenten sind zu allem
entschlossen!! Sie sind bereit, für die Freiheit zu sterben. Ein Offizier auf
der anderen Seite warnt sie, dass sie verloren seien. Aber das stachelt die
Studenten nur noch mehr an. Javert kommt auf die Barrikade – unerkannt, ohne Uniform – und
gibt vor, den Studenten helfen zu wollen. Er verbreitet, dass es heute keinen
Angriff geben wird – aber der kleine Gavroche deckt den Schwindel auf. Der kleine Gavroche (Adrian Pocher) war wirklich klein – eigentlich
viel zu klein. Gavroche ist im Buch 12 Jahre alt, diesen hier würde man nach
der Größe auf höchstens 8 Jahre schätzen. Er meistert aber sein kleines Solo. Javert wird überwältigt und gefesselt. Marius fängt die verletzte Eponine auf – sie sagt ihm, dass sie
den Brief übergeben hat. Dann sinkt sie in seine Arme und stirbt. Auch jetzt stört mich etwas, dass Evelyn Jons immer noch den
gleichen Gesichtsausdruck hat. Man sieht nicht, dass ihr etwas weh tut, sie
singt nur so, als wäre es so. Alen Hodzovic als Marius gibt dieser Szene den nötigen
Ausdruck. Er singt mit ganz liebevoller Stimme und hält die verletzte Eponine
ganz vorsichtig in seinen Armen. Wenn diese Szene anrührend war, dann nur,
weil man sehen konnte, dass Marius um Eponine getrauert hat. Die Studenten sehen im Tod von Eponine wieder einen neuen Grund
für ihren Barrikadenkampf. Valjean in Uniform kommt auf die Barrikade und will sich den
Kämpfern anschließen. Ein wirklich ungewohnter Anblick – Ian in Uniform. Die weiße
Hose und der rote Uniformrock passen nicht wirklich zu ihm J Der Kampf auf der Barrikade beginnt. Der Gefechtskampf klingt als käme er vom „Band“ – was ja auch
ganz bestimmt so ist J, aber anders als in den ersten Vorstellungen in Füssen kann
man das Geräusch als Gewehrschuss bezeichnen. Die Studenten übergeben Javert an Valjean – er soll entscheiden
was mit ihm passiert. Valjean bringt Javert weg. Der denkt, dass ihn Valjean
erschießen wird und provoziert ihn. „Nein, ihr irrt und das ein Leben
lang...“ singt Valjean und entlässt Javert. Als er weg ist, schießt Valjean
in die Luft. Die Studenten glauben, dass er ihn erschossen hat. Die Nacht bricht herein und die Studenten ruhen sich aus.
„Trinkt mit mir“ erklingt die sehnsuchtsvolle Melodie nach der schönen Zeit
und der Freundschaft. Die Studenten trinken aus Weinflaschen und legen sich dann zum
Schlafen nieder. Auch Marius, der an einem Brief geschrieben hat, legt sich
zum Schlaf. Valjean beobachtet die Szene aus dem Hintergrund. Er will
Marius beschützen, um Cosette das Leid zu ersparen. Er hat eine Decke
mitgebracht, die er nun über den Schlafenden deckt. Valjean singt sein „Bring ihn heim“. Das Lied, das sicher jeder kennt, in der Original-Szene auf der
Bühne zu erleben, bringt sicher noch mehr Emotionen als das Lied auf einer
Konzert-Bühne zu hören. Im Theater herrschte atemlose Stille – alle starrten
wie gebannt auf den Lichtkegel, in dem sich Ian befand, während der Rest der
Bühne abgedunkelt wurde. Und wie er das Lied gesungen hat – ich finde sicher nicht die
richtigen Worte. Die leisen Passagen nicht gesprochen, sondern jede einzelne
Note ausgesungen ohne Zittern in der Stimme (wie man das ja auch oft hört).
Jedes Wort konnte man verstehen und jedes Wort hatte eine Bedeutung, die er zum
Ausdruck gebracht hat. Ich hatte die ganze Zeit noch die Hersfelder Version im Ohr,
die im Vergleich nun nur noch aus Sprechen und Brüllen bestand – anders kann
ich es nicht erklären. Als der letzte Ton von Ian verklungen war, waren alle noch wie
gebannt, aber dann brach stürmischer Applaus mit Bravo-Rufen los. Ich kann
nur sagen: Das war genial! Eine Reprise des Studentenliedes „Trinkt mit mir“ beendet die
Szene und führt uns wieder auf die Barrikade zurück. Der zweite Angriff erfolgt und nach einer Weile haben die
Studenten keine Munition mehr. Marius will Patronen bei den Gefallenen
Soldaten holen, Valjean hält ihn zurück, doch noch ehe die Beiden sich
einigen können, ist der kleine Gavroche über die Barrikade gestürmt. Er wird
aber auch sofort getroffen – mehrmals getroffen - und singt trotzdem in
abgebrochenem Ton weiter, während er die Patronen einsammelt. Er kann die
Tasche noch auf die Barrikade werfen, das bricht er zusammen und stirbt. Noch einmal warnt ein Offizier die Studenten, aber die sind
fest entschlossen, sich nicht lebend zu ergeben. Der Kampf geht weiter und
schließlich sind alle tot. Wieder dient der Baum als Kulisse – die getöteten Studenten
liegen darauf. Die getöteten Soldaten liegen am rechten Bühnenrand. Zu der einsamen Melodie von „Bring ihn heim“ sieht man Valjean,
der verletzt überlebt hat, wie er den schwer verletzten Marius auf seine
Schultern packt und wegträgt. Die Szene dauert recht lange und es ist
sicher auch nicht ganz einfach, einen erwachsenen Mann so lange zu tragen
(auch wenn Alen einer der Leichteren zu sein scheint). Schließlich bricht
Valjean unter der Last zusammen – er hat es noch bis in die Kanalisation
geschafft. Szene 11: Gesinde ist überall und überlebt überall – so auch hier. Es
taucht Thénardier auf, der die Toten „erleichtert“ und ihnen Schmuck, Uhren
und Goldzähne abnimmt. „Auch hier muss einer nach dem Rechten sehn...“. Er
nimmt auch Marius den Ring ab und als er Valjean umdrehen will, muss er
feststellen, dass dieser noch lebt. Erschreckt rennt Thénardier weg. Valjean rappelt sich auf und nimmt den verletzten Marius auf
die Arme und trägt ihn weiter. Da taucht Javert auf und nochmals bittet
Valjean um einen Aufschub. „Schaut her, Javert, er steht am Grabesrand...“
und tatsächlich gewährt ihm Javert diese Bitte. Javert wird mit dem Gefühl, dass sein Leben von einem Dieb
abhing, nicht fertig. Er sieht keinen Sinn mehr in einem Leben, in dem man
nicht mehr Gut oder Böse klar erkennen kann. Nils-Holger Bock bringt auch in dieses Lied einen Sinn (ich vergleiche
für mich wieder mit Hersfeld) und man erkennt plötzlich, warum dieser
gesetzestreue Mann ins Zweifeln gerät,
dass er sein ganzes Leben in Frage stellt und dass er keinen anderen
Ausweg als Selbstmord für ihn gibt. Javert mit offenen Haaren und verzweifeltem
Blick steigt auf die Brücke und stürzt sich in den Tod. Szene 12: „Weiter, weiter...“ – die Frauen von Paris sammeln die Toten
und Verletzten auf und bringen sie auf Karren von der Bühne. Szene 13: Marius hat sich von seinen schweren Verletzungen erholt und
sitzt nun im ABC-Cafe und trauert um seine Freunde. „Dunkles Schweigen an den
Tischen“. Alen singt dieses Lied mit klarer Stimme und ganz viel Gefühl.
Man nimmt ihm ab, dass er um seine Freunde trauert, dass er nicht versteht,
dass er sie nie mehr wiedersehen wird. Cosette reißt Marius aus seiner Trauer und singt mit ihm
zusammen „Jeden Tag“. Eigentlich ein schönes Lied, aber an diesem Tag wurde es mir
durch die quäkende, schrille Stimme von Meribel Müürepp doch sehr verdorben! Die
schmeichelnde Stimme von Marius, die traurige Stimme von Valjean und dieses
Stimmchen – das passte einfach nicht! Schade!! Marius erfährt von Valjean, dass Cosette nicht seine leibliche
Tochter ist. Er bittet Marius aber, ihr nichts davon zu erzählen. Er erzählt
Marius auch, dass er der gesuchte Jean Valjean ist. Valjean will gehen, um Cosette zu ersparen, dass sie die
Wahrheit über ihn erfährt. Marius kann ihn nicht umstimmen, aber er
verspricht, dass er schweigen wird. Szene 14: Die Hochzeit von Cosette und Marius wird gefeiert. „Nun läutet
ein, denn es soll Hochzeit sein...“ Alle Anwesenden sind gut gekleidet – da
taucht ein Paar auf, das niemand eingeladen hat: Baron und Baronesse de
Thénard. Leider hatte man die Thénardiers nicht so richtig neureich
ausgestattet. Sie sahen doch eigentlich aus, wie vorher auch schon! Marius erkennt natürlich die alten Bekannten und lässt sich
nicht von ihnen unter Druck setzen mit deren Wissen über seinen
Schwiegervater – er kennt ja die Wahrheit von Valjean selbst. Schön wie Alen hier Werner Bauer „an die Kehle geht“. Thénardier zeigt den Ring, den er einem angeblichen Toten
abgenommen hat. Plötzlich wird ihm klar, dass es Vajean war, der ihm das
Leben gerettet hat. „Bettler ans Buffet“ – die Thénardiers räumen nun erst mal bei
der Feier auf. Dieses Lied bringt wieder Schwung in das Stück und erntet auch
den verdienten Applaus. Szene 15: Der Baum J steht wieder
und um den Baum herum sitzen die Toten, die im Leben von Valjean eine Rolle
gespielt haben. Die Kleidung ist noch wie vorher, nur alles in weiß. Valjean sitzt auf der Bank und ist dem Tod nahe. „Hör mein Gott, hör mein Fleh’n“ – Valjean bittet Gott, ihn zu
sich zu holen - „Hol mich heim“. Fantine spricht mit ihm und dankt ihm, dass
er für Cosette gesorgt hat. „Poppa, Poppa was ist dann nur geschehn“ *grrr* – Cosette und Marius kommen zu Valjean
und wollen ihn nicht gehen lassen. Valjean sieht sein Leben als erfüllt an –
er sieht, dass Cosette glücklich ist. Er gibt Cosette einen Brief mit seinem
Geständnis. Fantine lockt Valjean ins Jenseits – „...komm mit mir, verlass
das Tal der Schmerzen....“ und umgeben von allen, die ihn lieben, stirbt
Valjean. Aus dem Hintergrund erklingt zuerst leise und dann immer lauter
die Melodie vom „Lied des Volkes“. Zum großen Finale stehen wieder alle auf
der Bühne und auch Valjean stimmt mit ein: Hört ihr, wie das
Volk erklingt? Hört ihr den fernen Trommelschlag? - Ende - |
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Mein Fazit: Es war sehr schön,
wieder einmal die Komplett-Version des Musicals zu sehen. Das Stück ist trotz
kleinerer Mängel absolut sehenswert. Allerdings sollte nicht vergessen
werden, dass es für mich nur durch seine Hauptdarsteller gelebt hat. Hätte
man hier eine andere Wahl getroffen, würde ich die Inszenierung sicher nicht
mehr als sehenswert beurteilen. In den von mir
besuchten Vorstellungen gab es nur kleinere Probleme mit den Mikrophonen.
Insgesamt war der Ton gut. Das Bühnenbild: Natürlich ist es
sehr schade, dass man die Möglichkeiten der Festspielhaus-Bühne nicht besser
genutzt hat. Da das Stück aber als Tourproduktion geplant ist, lässt sich
nachvollziehen, dass man die einfache Variante wählte. Um trotzdem
verschiedene Räume zu schaffen, wurden außer den o.e. Requisiten nur wenige
Mittel eingesetzt: eine Bank, ein Eisentor, eine Brücke. Die Kostüme: Doch, da hat alles
gepasst, obwohl ich mir das Ballkleid der „Madame de Thénard“ schriller
vorgestellt hätte. Lugte da bei manchen Kostümen ein bisschen „Ludwig²“
durch? Die Perücken
hätten ein bisschen besser frisiert sein dürfen. Bei einer Vorstellung hatte
Cosette eine Perücke ohne Korkenzieherlocken – das offene Haar passte dann
aber leider nicht in diese Zeit. Das Orchester: Hier hat mir ein
bisschen das Volumen gefehlt – man konnte noch zu sehr die einzelnen
Instrumente erkennen. Bei den Chorszenen fehlte mir eine kraftvollere
Begleitung. Bei den leisen
Szenen was das aber so völlig in Ordnung. |
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Die Darsteller: Jean Valjean: |
Ian Jon Bourg überzeugte mich nicht nur mit seiner Stimme und seiner Art zu
singen, sondern auch, weil es scheint, als hätte er das Buch verinnerlicht
und deshalb alle Szenen richtig gespielt. Ausführlichere Beschreibung der
einzelnen Szenen siehe o.s. Bericht. Dietmar Ziegler überraschte uns mit seiner ebenfalls sehr guten Version des
Valjean. Vielleicht war er mit der Rolle an diesem Tag ein klein wenig
überfordert, aber da es die zweite Show an diesem Tag war, in der er spielte,
darf man kleine Schwächen entschuldigen. Als Bischof von Digne hätte ich ihn mir ein klein wenig
liebenswürdiger gewünscht, aber seine diversen Auftritte in Ensemble-Rollen –
klasse! |
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Javert: |
Nils-Holger Bock würde ich als Idealbesetzung für diese Rolle bezeichnen!!
Seine Darstellung kam der Javert aus dem Buch sehr nahe, denn auch da hat
Figur nicht nur eine böse Seite. Javert hat einen Grund, warum er so ist, wie
er ist – und das spürte man bei Nils-Holger Bock ganz deutlich. Marc Gremm – sein Javert war anders, aber ebenso
gut! Marc hat die harte, unerbittliche Seite mehr in den Vordergrund
gestellt. Durch seine sehr kraftvolle Stimme hat er aber trotzdem
verschiedene Charaktereigenschaften gezeigt. Müsste ich eine
Entscheidung treffen, wen ich als Javert noch mal sehen möchte, würde mir die
Entscheidung sehr, sehr schwer fallen! |
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Fantine: |
Stephanie Wettich überzeugte sowohl mit ihrer Stimme als auch mit ihrer
schauspielerischen Leistung. So stell ich mir Fantine vor! Sarah Schütz hat gut gespielt, aber stimmlich
konnte sie mich nicht überzeugen. |
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Eponine: |
Leider haben wir
Kimberly Kate nicht in dieser Rolle sehen dürfen L. Evelyn Jons hatte ich in allen drei Vorstellungen und kann deshalb nicht
mit einer anderen Darstellerin vergleichen. Mir war ihr Spiel zu steif, der
Gesichtsausdruck zu wenig verändert. Ihr „Nur für mich“ hatte bei allen
Vorstellungen keinen Bezug zum Rest der Figur. |
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Marius: |
Alen Hodzovic hatte einen harten Bühnentag J - er war bei jeder Szene auf der Bühne – entweder im Ensemble
oder später als Marius. Hätte er noch die richtige Partnerin als Cosette
gehabt, hätte sein Spiel und seine sanfte Stimme noch mehr überzeugt. Er war
stimmlich sehr gut und auch im Chor, z.B. bei „Lied des Volkes“, noch klar zu
erkennen. Sehr gute Leistung! |
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Cosette: |
dazu möchte ich
mich lieber nicht ausführlicher äußern, weil mich weder Stimme noch
Schauspiel überzeugen konnten. |
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Enjolras: |
Marc Lamberty – schwer zu beschreiben, weil er für
mich die Rolle falsch gespielt hat. Ein Studentenführer sollte motivieren
können und nicht als Selbstdarsteller immer richtig im Bild stehen – darauf
kommt es nicht an. Seine Stimme fand ich auch nicht so gut für diese Art von
Musicals geeignet – der letzte, eigentlich immer gepresste Ton störte mich. |
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Thénardier: |
Werner Bauer Oh ja! Klein, fies, gemein,
hinterlistig und sich für keine Schandtat zu schade – sehr gut! Ich seh immer
noch, wie er den Schuh ganz „unauffällig“ wieder anzieht. Sehr gut Textverständlich! Andreas Berg auch sehr gut, aber schon optisch
anders - aber ebenso verschlagen und gemein |
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Mme Thénardier: |
Sissy Staudinger Doch, so könnte Madame Thénardier gewesen sein J. Stimmlich recht herb, aber von der Figur her sicher ein Lichtblick
für alle anwesenden Herren! |
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Die Studenten: |
soweit okay, aber
jetzt hätten sie wieder mit dem Vocal-Coach arbeiten müssen, um den teilweise
recht störenden Akzent zu beseitigen. |
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Kinderdarsteller: |
Kleine Erwachsene, die sich außerhalb der Bühne benahmen, als
hätten sie die Hauptrolle gespielt. Einzige Ausnahme: Adrian Pocher, der sehr gut zu
verstehen war und auch sehr gut gespielt hat © Gudrun Kauck |
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Copyright
© bei www.gudrun-kauck.de G.K.
– 19.08.2007 |
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